Widersprechen

116 Seiten
Ausgabe: Klappenbroschur
Erschienen: Juli 2025
Florenz, 6. September 1975. Am runden Tisch der Festa dell’Unità verteidigt Pasolini seine Thesen zum Konsumfaschismus. Doch etwas an jenem Abend lässt seine Rede aus ihren pessimistischen Bahnen ausbrechen. Überwältigt von der Präsenz zahlreicher Jugendlicher, »Träger einer lebendigen Kultur der Freiheit«, äußert er die Vermutung, dass das negative Bild, das er sich in den letzten Jahren von der Gegenwart gemacht hatte, widerlegt werden könne.
In der Bereitschaft Pasolinis, sich und seine Thesen öffentlich zur Diskussion zu stellen, zeigt sich eine performative Geste des Widerspruchs – eine dialektische Haltung, die auch in den düstersten seiner Reden zur anthropologischen Mutation wie ein Irrlicht aufscheint. Der Literaturwissenschaftler Fabien Vitali zeigt in seinem Essay, dass Pasolinis Kulturkritik nicht allein auf der Wortebene zu begreifen ist, sondern im Rahmen einer Praxis des Dialogs und der Erfahrung des Anderen. Als solche liest Vitali sie neu: als Geste der »Brüskierung festgefahrener Denkordnungen« – und stellt die Frage nach den Möglichkeiten eines anderen gesellschaftlichen Selbst.
Über die Autoren
Pier Paolo Pasolini (1922–1975), italienischer Dichter und Regisseur von beispielloser Sensibilität für die politische Relevanz ästhetischer Fragen. Als stets kontrovers diskutierter Künstler setzte er sich bewusst in Szene – mit den Mitteln und dennoch als Antagonist einer alles bestimmenden Kulturindustrie. Trotz seines frühen Parteiausschlusses blieb Pasolini Anhänger des PCI, den er – oft im Streit mit der Parteiführung – als Garanten eines gesellschaftlichen Anderen sah. Seine „skandalösen“ Thesen zum Konsumfaschismus klingen bis heute im öffentlichen Diskurs nach – als populäre und gleichsam unbequeme Figuren einer kulturkritischen Urszene.
Fabien Vitali (*1978) promovierte an der Scuola Normale Superiore di Pisa zum essayistischen Werk von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Danach unterrichtete er an den Universitäten München, Hamburg und Kiel. Seine zahlreichen Arbeiten zu Pasolini umfassen auch die preisgekrönte Übersetzung und Kommentierung der Gespräche Pasolinis mit dem jüdischen Filmjournalisten Gideon Bachmann (Pasolini -Bachmann. Gespräche 1963-1975, Hamburg, 2022). Zuletzt hat er die Dialoge Pasolinis mit den Leser:innen der kommunistischen Illustrierten »Vie Nuove« aus den 60ern ins Deutsche übertragen (Berlin, Wagenbach, 2025).
Andere Publikationen
- BücherMartha Naujoks - Harry Naujoks
Zwei Leben für die Befreiung. Aufbrüche, Aufstände und Niederlagen - Zwischen Revolution und Inferno. Ein Doppelband.
LESEBUCH 1: »Das vergessene Leben der Martha Naujoks« - von Henning Fischer u.v.m. // LESEBUCH 2: »Mein Leben im KZ Sachsenhausen« - Kommentierte und erweiterte Neuedition.